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Am 6. August gingen die Wehen los. Geburtstermin war
eigentlich der 1. August gewesen, deswegen musste ich alle zwei Tage zu
Kontrolluntersuchungen entweder ins Krankenhaus oder zur Hebamme gehen. Beim
letzten Termin im Krankenhaus hatte man schon davon geredet, in ein paar Tagen
mit der Einleitung der Geburt beginnen zu müssen. Am 7. August (Mittwoch) war wieder ein Besuch
bei der Hebamme im Prenzlauer Berg vorgesehen.
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Am Dienstag, 6. August, verlief
eigentlich noch alles normal – wir gingen einkaufen, mein Freund arbeitete, ich arbeitete an meinem Blog, kochte Essen, machte sauber und bug einen
Schokoladenkuchen, den mein Freund sich gewünscht hatte. Ein paar Stunden
später, am Abend ging es los, aber ich dachte bis dahin, es wären nur
Rückenschmerzen. In der Nacht wurde es dann immer stärker, die Schmerzen kamen
und gingen im Abstand von ein, zwei Minuten. Da uns im Geburtsvorbereitungskurs gesagt worden war, die
„richtigen“ Wehen würden im Abstand von zehn Minuten oder länger beginnen,
dachte ich, das können ja nicht die richtigen sein.
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Schließlich konnte ich es
aber im Bett nicht mehr aushalten und sagte meinem Freund, dass wir jetzt ins
Krankenhaus müssten, zumindest, um ganz sicher zu gehen. Also klingelten wir um
eins im Kreissaal vom Oskar-Ziethen Krankenhaus in Lichtenberg, was mit dem
Auto zehn Minuten entfernt von unserer Wohnung lag. Die junge Hebamme, die ich
schon von meinem Zwischenstopp im Krankenhaus wegen meiner Stauniere kannte,
begrüßte uns freundlich. Sie schloss mich erstmal im Vorwehenraum an ein CTG
an, welches die Stärke und Länge der Wehen aufzeichnete. Was keiner gedacht
hätte – sie sollte es auch sein, die schließlich bei mir die Geburt übernehmen
würde. Als junge, kinderlose Frau, so sagte sie uns, würde sie oft dazu
herangezogen, die Nachtschichten zu übernehmen.
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Das CTG zeigte Wehen mit starken Ausschlägen an, die in
relativ kurzen Abständen kamen, in einer Intensität das ich sicher war, das es
keine Vor- oder Probewehen mehr sein konnten. Die hatte ich ja schon seit
Wochen vorher gehabt und sie waren absolut schmerzfrei gewesen. Die Hebamme
kontrollierte auch meinen Muttermund, welcher minimal geöffnet war, auch der
Gebärmutterhals hätte noch einen Zentimeter. Entweder hätte ich also ins
Krankenhaus auf die Station gehen und weiter warten können, oder wir könnten
nach Hause gehen und dort abwarten, bis die Wehen stärker und länger wurden.
Wir entschieden uns also, wieder nach Hause zu gehen.
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Um zwei Uhr nachts waren
wir wieder zu Hause, aber ich konnte mich nicht ins Bett legen, da die
Schmerzen so stark waren und ich mich darauf konzentrieren musste. An Schlaf
war also nicht zu denken. Mein Freund legte sich ins Bett und ich ging ins Wohnzimmer
und ging dort auf und ab. Die Wehen kamen nach wie vor alle paar Minuten. Gegen
5/6 Uhr morgens war ich allerdings sehr erleichtert, denn die Abstände hatten
sich nun auf 8-10 Minuten erhöht, so dass ich zwischendurch ein Atempause zum
entspannen hatte. Ich hätte sonst nicht gewusst wie ich das noch über Stunden
hätte ertragen sollen. Um zehn Uhr hatte ich einen Termin bei der Hebamme und
das gab mir Halt, denn sie würde mir sicher sagen, wie es weiter gehen sollte.
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Mein Freund und ich fuhren mit dem Auto zu ihr. Ich hatte nach wie vor alle zehn
Minuten Wehen, die etwa eine Minute dauerten. Die Hebamme machte ein CTG,
worauf die Wehen zu erkennen waren, und kontrollierte noch einmal bei mir und gab bekannt, das der Gebärmutterhals verstrichen sei, aber nach
wie vor der Muttermund nur ganz gering geöffnet sei. Sie sagte, es würde
wahrscheinlich gar nicht mehr lange dauern, und empfahl mir, zur Entspannung ein
Bad zu nehmen. Der Besuch stärkte mich moralisch und wir fuhren wieder nach
Hause und frühstückten – die Wehen gingen weiter. Ich krallte mich bei jeder
Wehe am Kinderwagen fest, den ich dann durchs Kinderzimmer schob.
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Ich wollte eigentlich gar kein Bad nehmen, da ich das Gefühl
hatte, das würde für mich alles noch schmerzhafter machen. Ich probierte es
aber trotzdem und genauso war es. Also wieder raus aus der Wanne. Als ich mich
im Schlafzimmer anziehen wollte merkte ich auf einmal, wie sich unter
meinen Beinen eine kleine Pfütze bildete.
Gar nicht groß, aber ich wußte sofort – das ist der Blasensprung. Mein Freund und ich
freuten uns denn das hieß, jetzt ging es wirklich los. Wir fuhren also wieder
mit Sack und Pack ins Krankenhaus, inzwischen war es zwei Uhr Nachmittags. Dort
wieder in den Kreissaal, wo mir eine andere noch jüngere Hebamme wohl nicht so
recht glauben wollte. Ich konnte sie aber dadurch überzeugen, dass ich das
Untersuchungszimmer volltropfte. Offenbar war gerade viel Betrieb und meine
Bemerkung, dass die Nachfolgenden doch erstmal den Boden wischen sollten, brachte
niemanden zum lachen. Also kamen wir in anderen Untersuchungsraum zum CTG
schreiben.
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Mittlerweile waren die Schmerzen schon an der Grenze des
Erträglichen, mich auf die Liege zum CTG zu legen, fiel mir sehr schwer. Schließlich kam
eine ältere Frau, die sich uns vorstellte als diejenige, die nun als Hebamme unsere
Betreuung übernehmen würde. Ich konnte all dem was sie erzählte kaum noch
zuhören, zumindest konnte ich nicht ertragen, jemandem in die Augen zu schauen
und so schloss ich sie ständig, wenn eine Wehe kam, Namen konnte ich mir schon
gar nicht mehr merken. Die Hebamme schlug uns vor, da der Muttermund erst wenig
geöffnet sei und draußen auch schönes Wetter war, noch zwei Stunden draußen auf
dem Klinikgelände „spazieren“ zu gehen. Wir willigten ein und die Hebamme gab
mir noch eine Spritze gegen die Übelkeit. Als wir uns gerade aufmachen wollten
wurde mir sehr schlecht und ich musste mich über das Waschbecken hängen. In
diesem Moment kam ein Putzfrau mit einem ausländischen Akzent rein (ich habe
das nur im Hintergrund mitbekommen, da ich ja „beschäftigt“ war) und verlangte
im barschen Ton, das wir sofort hier raus müssten, der nächste Patient müsste
gleich hier rein. O-Ton „das geht so nicht“. Das war mir in diesem Moment total
egal, da ich ja auch Wehen hatte, aber ich fand es schon sehr dreist und
normalerweise hätte ich mich natürlich sofort mit ihr angelegt. Schließlich
gingen wir runter vor das Krankenhaus.
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Wie die zwei Stunden vergangen sind, ist
mir schleierhaft. Ich hatte das Gefühl, das ich das nicht mehr lange würde
ertragen können und war moralisch auf dem Tiefpunkt, weil ich mir vorstellte,
das das ja erst der Anfang sei. Wie sollte ich das noch über Stunden aushalten.
Wir gingen also langsam hin und her und bei jeder Wehe hielt ich mich irgendwo
fest, an meinem Freund, an Laternen, am Geländer oder Ähnlichem. Ich weiß nicht warum, aber Bäume waren in diesem Moment das Beste zum festhalten. Was mich in diesem
Moment sehr genervt hat war, dass ich von vielen Leuten beobachtet wurde. Das
fand ich sehr anstrengend denn ich hatte den Instinkt, dass ich mich an einem
einsamen Ort zurückziehen wollte, ich wollte auch meine Schmerzen alleine
verarbeiten, denn das ist etwas sehr intimes. Ich versuchte also die Blicke der
Krankenhausbesucher und Patienten zu ignorieren, aber es gelang nicht ganz.
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Gegen halb sechs gingen wir wieder zurück in den Kreissaal, ins
Untersuchungszimmer, was mir wieder etwas Hoffnung machte, denn vielleicht
konnte ich jetzt etwas gegen die Schmerzen bekommen. Wieder eine Untersuchung
mit CTG und die Hebamme stellte fest, dass der MM jetzt auf 3 cm war, was ich
schon einmal sehr gut fand. Dann bot sie mir an, dass wir jetzt mit einer
Schmerzbehandlung beginnen konnten, also PDA und anderes, und das wir jetzt in
den Kreissaal gehen konnten. Zuvor mussten noch einige Formulare wegen der PDA
unterschrieben werden - ein Witz zu
verlangen das sich das jemand unter Wehen richtig durchlesen könnte. Auf gings
also in den Kreissaal. Dort bekam ich erstmal einen Tropf mit Opiaten, wenn ich
das richtig verstanden habe. Die taten nicht wirklich was gegen die Schmerzen,
machten mich aber unglaublich duselig und benebelt, wie besoffen. Danach legte
ich ein Krankenhaushemd an für die PDA und dann kam auch gleich eine freundlich
Anesthäsistin und noch eine Schwester, die entspannt mit mir plauderten und
alles fertig machten. Für die PDA bekommt man ja erstmal eine kleine Betäubung,
die habe ich aber kaum gemerkt und danach erst recht nichts mehr.
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Schließlich
war die PDA gelegt und die erste Dosis lief durch und wirkte bei mir sofort –
ich hatte gar keine Schmerzen mehr, dafür aber auch keine sehr gute Empfindung
in den Beinen, weshalb man ja bei der PDA auch nicht mehr rumlaufen kann. Mein
rechtes (ich glaube es war mein rechtes) Bein kribbelte aber stark und wurde
taub. Das fand die Anästhesisten wohl merkwürdig und befragte mich eine Weile
und überprüfte, ob ich am Zeh noch etwas fühlte. Die Frage war wahrscheinlich,
ob sie mir in den Rückenmarkskanal gestochen hatte oder nicht. Da aber nichts
völlig taub war, befand sie alles für okay. Sobald die PDA wirkte, konnte ich
sogar noch ein bißchen dösen, es war aber nicht mehr als ein Sekundenschlaf. So
gingen die Stunden dahin, es war mir gar nicht bewußt, wieviel Zeit schon
vergangen war. Zwischendurch kam die Hebamme wieder herein und bestätigte, dass
die Wehen nachgelassen hatten, deshalb bekam ich einen Wehentropf. Außerdem
entleerte sie mir mit einem Katheter die Blase, da man unter der PDA nicht
merkt, wie diese immer voller wird und die volle Blase die Geburt behindert, weil sie viel Platz wegnimmt. Die Hebamme, die mich bis jetzt betreut hatte, hatte
jetzt Schichtwechsel, und kam noch einmal zu uns in den Kreissaal. Sie bemerkte, dass soweit alles in Ordnung sei, ich aber etwas Fieber hätte, was vermutlich
noch von meiner Nierenentzündung kommen würde. Deshalb bekam ich noch einmal
Antibiotika über einen Tropf.
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Mein Freund merkte dann als erster, dass der Puls des Babys
auf einmal sehr niedrig war. Normalerweise war er bei 150 jetzt war er auf ca.
60 herabgesunken. Sofort kamen zwei Hebammen und eine Ärztin ins Zimmer,
verordneten mir den Vierfüßlerstand, legten mir Sauerstoff an die Nase und
sagten, dass ich tief einatmen solle. Außerdem bekam ich noch eine Spritze, die
den Herzschlag des Babys hochjagte, und auch meinen, was ich sofort als
Herzklopfen merkte. Wahrscheinlich war durch die heftigen Wehen, die ich nicht
merkte, eine Blutzufuhr des Babys zugedrückt worden. Also wurde der Wehentropf
zugedreht und mir ein Wehenhemmer gegeben. Jetzt lag allerdings der Puls des
Babys zu hoch, bei ca. 200, und das blieb eine Weile so.
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Schließlich teilte die
Hebamme mit, dass nun endlich die Geburt, also die Austreibungsphase beginnen
müsse, da der Muttermund schon sehr lange bei 10 cm sei und das Baby sonst zu
lange im Geburtskanal stecke. Sie drehte also die PDA ab und den Wehentropf
voll auf und mir war sehr mulmig zumute. Ich befürchtete, das jetzt die
schrecklichsten Wehen kommen würden. Langsam spürte ich auch wieder etwas.
Außerdem wurde mir wieder übel und ich musste mich übergeben. Die ersten
richtigen Wehen kamen, allerdings hatte ich kein Gefühl dafür, wo ich pressen
sollte und veratmete sie ganz normal. Der Oberarzt, der inzwischen auch dazu
gekommen war, gab Anweisungen wo ich wie zu pressen hatte. Er sagt, wenn es
jetzt nicht bald passierte, bliebe nur noch ein Kaiserschnitt, da die Zeit
knapp wurde. Gott sei Dank ging es mit Hilfe seiner Anleitung und einer Saugglocke jetzt sehr
schnell und ich merkte auf einmal, wie sich der Kopf nach draußen schob. Dann
mußte ich noch einmal pressen und alles war vorbei.
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Ich konnte es gar nicht
glauben, da es am Ende so schnell gegangen war. Man legte mir die Kleine auf
den Bauch und ich konnte sie gar nicht richtig sehen, denn ihr Kopf lag in die
andere Richtung und ich traute mich nicht, sie anzufassen, da sie so klein und
zerbrechlich aussah. Mein Freund machte ein Foto mit seinem Handy und da konnte ich sie erst richtig sehen. Sie war so süß. Der Arzt gratulierte uns und lies uns
allein während die Hebamme die Kleine vermaß, wog und anzog. Währenddessen wurde ich
noch von der Ärztin genäht, was nochmal ganz schön zwickte. Schließlich lagen
wir alle drei zusammen im Bett und schliefen erschöpft für mehrere Stunden ein.
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